Gerade aus dem Urlaub zurück und schon wieder völlig am Ende? - Warum viele sich in den Ferien nicht erholen können |
Eigentlich sollten die Ferien-Rückkehrer an deutschen Arbeitsplätzen entspannt und erholt sein. Doch es gibt viele, die in der arbeitsfreien Zeit erst richtig spürten, wie ausgebrannt und erschöpft sie sind. Denn immer mehr Arbeitnehmer nehmen Handy und Laptop mit in den Urlaub, sind ständig erreichbar oder können einfach nicht abschalten. Die Grenzen zwischen Freizeit und Job verschwimmen immer stärker. Depressionen, Burn-out und Erschöpfungszustände können die Folge sein, warnt deshalb die European Coaching Association (ECA). Die Unternehmen kämpfen dann mit Arbeitsausfall. Schlimmstenfalls büßt das Unternehmen einen Mitarbeiter ein und der Arbeitnehmer seinen Job.
Die urlaubsbedingte Auszeit bringt es bei vielen an den Tag: "Gerade in einer Phase der Entspannung wird vielen Menschen ihre starke Erschöpfung, ihr Energieverlust und ihre Daueranspannung erst so richtig bewusst. Man empfindet das dann als 'Burn-out', als Gefühl des Ausgebranntseins ohne Perspektive", sagt Bernhard Juchniewicz, Präsident der ECA und Management-Coach mit jahrelanger Praxiserfahrung.
Doch wieso zeigt sich dies so stark nach dem Urlaub? - Der Experte hat zwei Gruppen von Betroffenen ausgemacht. Einerseits die Leistungsfanatiker, die auch im Urlaub immer mit Höchstleistungen auftrumpfen müssen - Bergtour, Dschungel-Expedition, Wüsten-Durchquerung etc. "Sie überschätzen im Urlaub wie im Berufsleben ihre Kräfte und steuern nach der ungewohnten Anstrengung, von der sie dachten, dass sie die auch noch leicht meistern, direkt in den Burn-out", sagt Juchniewicz.
Aber auch diejenigen, die im Urlaub gezielt nach Entspannung und Verlangsamung suchen, sind nicht gefeit. Manche erkennen in den Ferien noch deutlicher, dass der Job nicht ihren Neigungen und Begabungen entspricht, dass die Belastungsgrenze längst erreicht ist. Dennoch erscheint ihnen der Ausstieg aus dem Hamsterrad unmöglich. "Dann kommt zum hohen Stressfaktor im Job noch die Furcht vor der unausweichlichen Veränderung hinzu. Das Gefühl der Ausweglosigkeit kann zu Panik gleich am ersten Arbeitstag führen", weiß Juchniewicz.
Ein heißer Herbst droht
Viele kehren also alles andere als erholt aus den Ferien zurück, bei anderen kulminiert der Stress gleich in den ersten Tagen. Spätestens in den ersten Herbsttagen, wo bei vielen auch noch der Jahresendspurt beginnt, drohen nach Meinung vieler Experten ernstzunehmende Erschöpfungszustände. Zu erkennen häufig an dem Widerwillen, mit dem Betroffene zur Arbeit gehen, aber auch an Schwierigkeiten mit den Kollegen oder Freunden. Wer sich fühlt, als müsse er ständig Dinge tun, die er überhaupt nicht tun will, ist ebenfalls nahe dran. Coaches und andere Fachleute benennen auch gestörte familiäre Beziehungen, Gefühle von Erschöpfung, Leere und Kraftlosigkeit als Symptome, die nicht selten in einer Depression münden. Und für den Arbeitgeber im Ausfall eines qualifizierten Mitarbeiters.
Bernhard Juchniewicz hat deshalb eine klare Ansage für Gefährdete: "Man kann nicht gleichzeitig abschalten und auf Empfang sein. Beschränken Sie deshalb Ihre Erreichbarkeit im Urlaub auf einen oder mehrere vorher festgelegte Zeiträume und auf einen bestimmten Anlass, zu dem man Sie kontaktieren darf. Denn: Nur die Feuerwehr und die Polizei haben wirklich Rufbereitschaft."
Kein Rund-um-die-Uhr-Kontakt zum Büro
Wer sich ausgebrannt fühlt, muss lernen, wie er sich regelmäßig Entspannungsphasen schafft, wie man sie einteilt und vor allem, dass der Rund-um-die-Uhr-Kontakt zum Büro alles andere als hilfreich ist. Bernhard Juchniewicz weiß aus seiner Praxis, dass die Betroffenen häufig den Kontakt zu sich selbst und zu ihren eigenen Bedürfnissen verloren haben. Er behandelt beginnende Workaholics und Burn-out-Betroffene deshalb lieber präventiv. Dabei versucht er, die ungesunde und Lebens-Energie zerstörende Arbeits- und Lebenssituation zu verändern.
Für den Urlaubs-Fall rät er: "Schon vor dem Urlaub vertrauensvolle Kollegen in die Planung einbeziehen, eventuell vorarbeiten, einen Plan für die Rückkehr machen. Und vor allem, wenn möglich, sich ein bis zwei Tage nach dem Urlaub Zeit zum Wiederankommen lassen."
Der Coach arbeitet auch gern mit Gefährdeten anhand eines Polaritätsschemas. In diesem Schema sollen die Betroffenen über einen Zeitraum von einem Monat notieren, wie viel Zeit sie aufwenden für die Arbeit, für Partnerschaft und Familie, für Freizeit und Hobbys und für Schlaf und Regeneration. Gibt es in einem der drei letztgenannten Bereiche ein Manko, sei dies ein ernst zu nehmendes Warnsignal.
Sein Leben ändern
Was aber, wenn man schon ein paar Tage aus dem Urlaub zurück ist und das Gefühl hat, mangels Erholung auf einen Zusammenbruch oder Burn-out zuzusteuern? Der Fachmann: "Ein Zusammenbruch kündigt sich in der Regel ganz gesund an. Mit Gedanken wie 'Ich kann nicht mehr.' Oder: 'Ich will so nicht mehr arbeiten oder leben.' Wenn man diesen Punkt einfach ignoriert, dann sind heftigere Reaktionen, sinnesspezifische, psychosoziale und psychosomatische Symptome die Folge - also Erschöpfung, Depression, körperliche Beschwerden bis hin zur Arbeitsunfähigkeit."
Dies alles sei ein Hinweis darauf, dass der Betroffene sein Arbeits- und Privatleben ändern müsse. Doch genau da liegt für viele der Hase im Pfeffer: Nur wer seine defizitäre Lebensweise erkannt hat, kann und wird etwas dagegen tun. Sinnvoll, so die Experten von ECA, ist deshalb, sich einen kompetenten Gesprächspartner zu suchen, mit dem man an einem gesunden Selbstbild und einer Handlungsstrategie entsprechend der eigenen Bedürfnisse arbeiten kann.
Denn: "Manche Menschen wissen gar nicht mehr, wann das Unglück für sie begonnen hat, da sie sich schon immer für andere Menschen 'eingesetzt oder überschlagen' und ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigt haben", sagt Juchniewicz.
Um den Burn-out zu vermeiden gelte es, nicht in eine Wiederholungsspirale zu kommen und die von der Natur geschenkte Ressource Gesundheit zu erhalten. Ein paar Urlaubstage könnten da schon helfen. Wenn man denn abschalten kann.
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Link: FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND
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Deutsch: Buch link:
"Don't Panic: Du bist nicht allein"
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